„Vom Leben nach der Frühgeburt bis zur Einschulung“ 

Bielefeld/Bethel: So lautete der Titel eines Vortrags von Herrn Prof.Dr.med.Gerhard Jorch aus Magdeburg, der einer Einladung der Elterninitiative Frühlinge Bielefeld e.V. gefolgt war. Am 03. September 2009 fanden sich etwa 100 Interessierte im Hörsaal des Krankenhauses Gilead I ein, um den Ausführungen eines renomierten Fachmannes, der bereits zahlreiche Publikationen und Fachbücher zum Thema veröffentlicht hat, zuzuhören.  

Als Direktor der Klinik für allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Universitätsklinikum Magdeburg gewährte Prof. Jorch einen Rück- aber auch einen Ausblick auf die Arbeit mit Frühgeborenen. Gerade bei extremen Frühchen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm haben sich im Laufe der letzten Jahre sehr große Fortschritte abgezeichnet. So konnte die Sterblichkeitsrate bei Kindern, die längstens 28 Wochen im Mutterleib bleiben konnten, annähernd halbiert werden. Er strich die große Verantwortung der Ärzte und des Pflegepersonals heraus, die diese übernehmen! Denn ihre Arbeit ist entscheidend für ein Leben, das in der Regel genauso lange währt, wie bei einem reifgeborenen Kind. Technische Verbesserungen tragen hier genauso zum Erfolg bei, wie das Ziehen von Rückschlüssen aus Untersuchungen der Kinder, die - zumindest im Magdeburger Raum -   noch lange nach der Entlassung stattfinden. Ähnliche Programme sind in Bielefeld initiiert. 

Manche Komplikationen, ausgelöst durch die extreme Frühgeburtlichkeit, sind nach einiger Zeit überstanden. Manche aber, wie z.B. Hirninfarkte sind mitentscheidend für das ganze Leben der Kinder. Hier geht es darum, die Kinder zu untersuchen, bzw. zu beurteilen, um ihnen anschließend die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen. Früherkennung ist hier das A und O. Gute Beobachtung, auch besonders mit Hilfe von Videos, hilft, z. B. Störungen in der Wahrnehmung oder Entwicklungsverzögerungen zu diagnostizieren. Die berühmten Meilensteine der Entwicklung, ab wann ein Kind bestimmte Handlungen können sollte, sind dabei keinesfalls überzubewerten! Das Spektrum ist sehr weit gefasst und Prof.Jorch streicht deutlich und mehrmals heraus, dass es das Wichtigste ist, dass das Kind eine Persönlichkeit entwickelt, die auf Vertrauen und Selbstvertrauen basiert!

Man muß die Schwächen erkennen und hier auch die Förderung ansetzen, aber die Konzentration liegt eindeutig auf dem Ausbau der Stärken. Ein wichtiges Stichwort ist dabei die Kompetenzstärkung der Eltern. Diese haben im Vortrag Ermutigung erhalten, liebevolle Unterstützung zu geben.

Außerdem wurde festgestellt, dass Förderungs-Qualität wichtiger ist, als -Quantität. „Der individuelle Förderplan muß in den Alltag einer Familie einzubinden sein, sonst bleibt er wirkungslos“ – so Prof.Jorch. Die anwesenden Therapeuten sahen sich bestätigt in ihrer Arbeit, wenn sie auch die Eltern mit einbeziehen. Erst wenn diese sich mit ihren Problemen und Ängsten angenommen und verstanden fühlen, können sie auch eine wirkliche Hilfe für ihr Kind/ihre Kinder sein. 

Abschließend ermutigte Prof. Jorch die Eltern, immer im Gespräch zu bleiben, mit den Fördertherapeuten und den Erzieherinnen/Erziehern im Kindergarten. Sie haben oft eine gute Sicht auf die Gesamtsituation des Kindes und können so behilflich sein bei der Schulwahl, bzw. bei einer evtl. Zurückstellung. 

Die Frage nach einer Entwicklungsprognose beantwortet der Referent mit einer Aussage, die Prof. Arvo Ylppö, selbst ein ehemals zu früh Geborener, in einem Alter von 98 Jahren getätigt hat: „Was aus einem Frühchen wird, weiß man frühestens, wenn es mein Alter erreicht hat.“ 

Im Anschluß an den Vortrag entwickelten sich noch einige lebhafte Gespräche. Die Elterninitiative „Frühlinge Bielefeld e.V. zeigte sich sehr zufrieden über die gute Resonanz und die so zahlreich erschienenen Gäste.